Am 21.07.2023 besuchte der derzeitige Geschäftsführer der AGTB, Johannes Spielmann gemeinsam mit den AGTB Mitgliedern Melissa Glomb, Deutsches Taubblindenwerk Hannover und Roland Flaig, Nikolauspflege Stuttgart und weiteren Kolleginnen aus dem deutschsprachigen Raum das nationale Kompetenzzentrum der USA, das Helen Keller National Center for DeafBlind Youth and Adults.
Die deutschsprachige Delegation wurde von der Direktorin des Helen Keller Centers, Deborah Harlin und ihrem Stellvertreter, Christopher Woodfill und weiteren Kolleginnen und Kollegen herzlich begrüßt.
Besonders beeindruckend war die Kommunikation mit Christopher Woodfill.
Selbst taubblind führte er das Gespräch als Hauptgegenüber mit der Unterstützung von bis zu 5 Unterstützerinnen. Diese gebärdeten ihm unsere Fragen bzw. übersetzten seine Ausführungen ins Englische.
Darüber hinaus erhielt er durch zwei weitere Kolleginnen ständig weitere Informationen über haptische Berührungen auf den Rücken, über all das, was im Raum vor sich ging.
Diese Kommunikation über Haptik wird im europäischen Raum auch in Norwegen praktiziert bzw. ist von dort inspiriert. Man kann sie vergleichen mit der Audiodeskription für sehbeeinträchtigte Menschen: über die Haptik erhält der taubblinde Mensch zusätzliche Informationen zum Geschehen über das gesprochene Wort hinaus.
Das HKNC geht davon aus, dass in den USA insgesamt 2,8 Mio. Menschen mit Taubblindheit/Hörsehbehinderung leben, davon 2,4 Mio. Personen im Alter von über 65 Jahren. Insgesamt werden 40 Online-Kurse für diesen Personenkreis über die Webseite des Centers angeboten. 75 Menschen sind im Centrum beschäftigt.
Inhaltliche Schwerpunkte bildeten die Themenbereiche selbständige Lebensführung, Orientierung, Kommunikation und berufliche Rehabilitation.
Beim Austausch ging es auch um die Definition von Taubblindheit. Die Experten des Helen Keller Center plädieren ausdrücklich für eine weite Definition, die Einschränkungen des Sehens und Hörens durch die Beeinträchtigung der Wahrnehmungsverarbeitung mit einbezieht. Damit entspricht die Definition sehr der Definition der AGTB.
Beeindruckend war der Bezug zur Historie des Helen Keller Centers. Fotografien im Eingangsbereich zeigen Helen Keller im direkten Austausch mit verschiedenen US-Präsidenten. In großer Beharrlichkeit setzte Helen Keller die Gründung eines nationalen Kompetenzzentrums durch.
In Ottawa fand dann mit circa 500 Teilnehmenden aus der ganzen Welt der 18. internationale DBI Kongress statt. Neben der bunten Sprachenvielfalt prägten die vielen taubblinden Teilnehmer*innen mit der Gebärdensprache die Bilder und die Kommunikation des Treffens.
Die Breite der Themen entsprach der ganzen Vielfalt der Fragestellungen aus Forschung und Praxis der Arbeit mit taubblinden Menschen.
Auch hier stand immer wieder die Frage der Definition von Taubblindheit im Mittelpunkt. Dabei betonen vor allem die neu entwickelten Definitionen aus den Niederlanden und der nordischen Länder vor allem den ICF Bezug und damit verbunden die Wechselwirkung zwischen individueller Beeinträchtigung und den Umgebungsbedingungen. Ein wesentlicher Aspekt, der unserer deutschen Definition noch fehlt. Übereinstimmend stellen aber alle fest: Taubblindheit kann sich nicht auf eine rein medizinische Definition reduzieren.
Spannend war auch der Dialog zwischen Medizin, Pädagogik und Pflege, der deutlich machte, dass für eine ganzheitliche Sicht auf die Lebenssituation taubblinder Menschen die unterschiedlichen Dimensionen zu berücksichtigen sind und sich wesentlich ergänzen.
Was den Kongress besonders auszeichnet ist das bunte, vielfältige Miteinander auf Augenhöhe, die Freude sich zu begegnen, Erfahrungen und Kompetenzen miteinander zu teilen, Fragen zu stellen – getragen von der Überzeugung, gemeinsam an unterschiedlichen Orten dieser Erde dazu beizutragen, dass taubblinde Menschen immer selbstbestimmter und selbstverständlich teilhabend ihr Leben gestalten dürfen und so Teil der einen Menschheitsfamilie zu sein.
2027 treffen wir uns wieder – diesmal in der Schweiz.
Übrigens heißt der neu gewählte Präsident Mirko Baur und ist vielen Kolleginnen und Kollegen als der Gesamtleiter der Schweizer Tanne bekannt. Herzliche Glückwünsche Mirko seitens der AGTB und all Deinen Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland.